Gallery Weekend Berlin | 29.4.-1.5.2016

Tobis Rehberger:

Gallery Weekend Berlin | 29.4.-1.5.2016

 

Am diesjährigen Gallery Weekend waren offiziell 54 Galerien in Mitte, Kreuzberg, City West und in Schöneberg, im weiteren Umfeld des Potsdamerplatzes, beteiligt. Tatsächlich haben sich weit mehr Galerien inoffiziell an diesem kunstvollen Wochenende beteiligt, das schätzungsweise von 20.000 Besuchern aus dem In- und Ausland besucht wurde.

 

Wir begannen traditionell unseren Kunstbummel am Freitagabend in den beiden Ausstellungsräumen der Galerie Haas in Charlottenburg – wobei das zwar etwas abgelegene Kunstlager von den Räumen her ein absolutes MUSS ist. Dort präsentierte Haas zum einen eine erlesene und exquisite Auswahl seiner Sammlung moderner Kunst und zum Gallery Weekend die Japanerin Leiko Ikemura. In der Hauptgalerie ging es mit Paula Modersohn Becker in diesem Jahr klassisch zu.  Es folgten noch einige weitere Galerien, wobei Werner mit einer wunderbaren Kirkeby-Ausstellung erwähnenswert ist.

 

Der Samstag diente dem exzessiven Galerien-Hopping in Mitte, rund um die August-, Linienstraße und Torstraße. In Mitte geht es traditionell in jeder Hinsicht bunt, rummelig, international und fröhlich zu – die offiziellen Galerien präsentieren in der Regel junge, moderne Kunst, ebenso wie die vielen im Programm nicht genannten Galerien, die sich ebenfalls mächtig herausgeputzt haben. In meiner folgenden Fotogalerie habe ich mich auf wenige Künstler und Galerien konzentriert, die mir persönlich aufgefallen sind und gefallen haben.

 

Eine besondere Erwähnung verdient allerdings die Galerie Neugerriemschneider in der Linienstraße. Dort feierte Thomas Rehberger, Kunstprofessor am Städel in Frankfurt, mit 66 weiteren Gästen ein großes und außergewöhnliches Event. Er lud anlässlich des Gallery Weekends seine Künstlerfreunde, Wegbegleiter und Mentoren der letzten 20 Jahre ein und alle, alle kamen und brachten jeweils eines ihrer typischen Kunstwerke mit! Die fast endlose Teilnehmerliste wäre einer Biennale würdig: Genzken, Ai Weiwei, Scheibitz, Tillmans, Bayrle, Mucha, Höller, Eliason, Gursky,Tuymans u.v.m. Damit nicht genug - Rehberger bedankte sich bei jedem seiner Gäste mit einem Gegengeschenk. Seine Geschenke verpackte Rehberger in von ihm selbst gefertigte Kartonagen, die er fantasievoll verformte und höchst bunt und individuell bemalte – er nannte die abstrakten und attraktiven Papierstrukturen „Origami a la Rehberger“. Dem Besucher bot sich somit ein ungeahnter Kunstgenuss – originale Kunstwerke von 66 Künstlern, plus 66 höchst unterschiedliche Rehberger. Bisher hat sich noch kein Künstler getraut, sein kunstvoll verpacktes Geschenk zu öffnen und damit zu beschädigen.

 

Den Anfang unseres persönlichen Gallery Weekends am Sonntag bildete ein Besuch in der Galerie König in der St. Agneskirche in Kreuzberg und einiger angrenzender Galerien Richtung Friedrichstraße.  Auf die Idee, eine im Brutalostil der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts gebaute katholische Kirche zur Galerie umzuwidmen, muss man erst einmal kommen. Wie exzellent nackter Beton, großzügige Räumlichkeiten und moderne Kunst zusammenpassen, beweist der Galerist König seit letztem Jahr. Er präsentierte in diesem Jahr den Neo-Expressionisten K.H.Hödicke, die farbenprächtige Katharina Grosse, die filigranen , hölzernen Installationen von Claudia Comte, eine wunderbare Arbeit von Mathias Wischer etc. Darüber hinaus war der Garten für eine künstlerische Gartenschau geöffnet – umgeben von Baumaschinen im halbfertigen Gelände wurden Skulpturen weiterer bekannter Künstler gezeigt.

 

Etwas verängstigt vor etwaigen Unruhen am 1. Mai in Kreuzberg, bummelten wir danach durch diverse Galerien zurück in Richtung Mitte. Die letzte Station unseres diesjährigen Gallery Weekends blieb der Galerie Schulte in der Charlottenstr. / Ecke Leipzigerstr. vorbehalten. Die riesigen, bunten Fensterinstallationen von Daniel Buren, waren nicht zu übersehen. Idris Kahn überraschte mit eindrucksvollen Kunstwerken, die er filigran aus Buchstaben und Sätzen diverser Autoren entwickelte – die Worte schienen buchstäblich im Fluss….

 

Das letzte Kunstwerk des Gallery Weekends, das wir bewunderten, war eine große Baumstruktur von Jochen Dehn. Einer alten Ulme wurde ein an einen Bonsai erinnernder anderer Baum aufgepfropft – hieraus entstand, wie eine west-östliche Symbiose, eine wunderbare, natürliche Baumskulptur. Träumen war erlaubt – auch wenn wir alle leider nicht über die entsprechend hohen Räume verfügen!

 

Fazit:  Für Sammler und Liebhaber moderner Kunst ist das Gallery Weekend in Berlin ein geeigneter Ort der Inspiration, aber auch eine Fundgrube für kleinere oder größere Investitionen in junge oder klassische moderne Kunst. Wenn das Wetter mitspielt, wie bei den frühlingshaften Temperaturen in diesem Jahr, lernt der auswärtige Besucher gleichzeitig unterschiedliche Stadtviertel, stimmungsvolle Höfe und Hinterhöfe, ungewöhnliche Räume und Gebäude und nicht zuletzt auch eine vielfältige Gastronomie kennen – Prädikat „sehr empfehlenswert“!

 

Klaus Weidner, Mai 2016

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Romy Campe (Freitag, 13 Mai 2016 14:34)

    Danke für diesen wunderbaren Einblick. Herzliche Grüße Romy